1. Das Grenzverfahren und Haft an den Aussengrenzen
Eine der weitreichendsten Veränderungen durch die GEAS-Reform ist die Einführung von sogenannten Grenzverfahren.
An den europäischen Aussengrenzen sollen dafür riesige Knäste für 120’000 Menschen gebaut werden. Diese liegen zwar auf EU-Boden, die dort inhaftierten Menschen gelten aber juristisch als noch nicht eingereist.
Alle Menschen, die in die EU einreisen möchten, werden also zu-nächst in diese Lager gebracht und dort innerhalb von 7 Tagen einem Screening unterzogen. Dabei werden ihre biometrischen Daten aufgenommen und Dokumente gescannt, um in die Eurodac1 Datenbank eingespeist zu werden. Nach diesen 7 Tagen wird entschieden, ob eine Person ein so-genanntes Grenzverfahren durchläuft oder ins reguläre Asylverfahren überstellt wird.
Während des gesamten Screeningverfahrens, wie auch des Grenzverfahrens, dürfen die Menschen die Lager nicht verlassen, da sie als nicht eingereist gelten.
Das Grenzverfahren ist ein Schnellverfahren von bis zu 12 Wochen. Menschen im Grenzverfahren bekommen keine Rechtsvertretung, sondern nur rechtliche Beratung. Gegen den Entscheid, in ein Grenzverfahren zu gelangen, kann kein Rekurs eingereicht werden.
Praktisch bedeutet dies, dass Menschen innerhalb kürzester Zeit und unter menschenunwürdigen Bedingungen ihre Fluchtgründe vortragen müssen.
Wer kommt in dieses Grenzverfahren?
- Wer aus einem Staat kommt, wo EU-weit die Chance, einen positiven Asylentscheidzu erhalten, unter 20% liegt.
- Wer über einen «sicheren Drittstaat» eingereist ist.2
- Wer die «Behörden irreführen» will (z.B. keinen Pass vorzeigt oder widersprüchliche Angaben macht) oder ein «Sicherheitsrisiko» darstellt.
Die Bedingungen sind so umfassend, dass fast alle Menschen in einem Grenzverfahren landen können. Das offensichtliche Ziel ist, die Kontrolle über die Menschen zu behalten, vom ersten Ankunftstag bis zur Ausschaffung (oder dem eher unwahrscheinlichen positiven Asylentscheid). In der Theorie soll keine Person mehr in die EU einreisen können, ohne in einem von diesen Knästen gewesen zu sein.
- Die Eurodac-Datenbank umfasst bisher vor allem Fingerabdrücke und Einreisedatum. Künftig sollen darin aber auch Gesichtsscans, Pässe und weitere umfassende Daten gespeichert werden. Zudem soll sie allen Strafverfolgungsbehörden der jeweiligen Länder zugänglich sein. ↩︎
- Dies ist nicht obligatorisch. Der EU-Mitgliedstaat, der das Grenzverfahren durchführt, kann dies selbst entscheiden. Es kann aktuell davon ausgegangen werden, dass sich viele Mitgliedstaaten dafür entscheiden werden. ↩︎