August 2021: Komplettes Bundesasyllager Camp 50 Basel unter Quarantäne
5.8.2021: In den letzten Tagen gab es im Bundesasyllager Basel einen grossen und schnellen Corona-Ausbruch. Bald die Hälfte der Bewohnenden sind positiv getestet. In dem Zusammenhang kam es zu diversen Medienberichten. Das Muster ist bekannt: Die Positionen des SEM und des Kantonsarztes erhalten viel Aufmerksamkeit. Die Menschen, um die es eigentlich geht, sind mit keiner einzigen Stimme vertreten.
In den vorhergehenden Medien-Episoden um das Thema Corona im Asyllager haben sich SEM, ORS und kantonaler Gesundheitsdienst die Verantwortung gegenseitig hin- und hergeschoben. Dieses Mal hat der Kantonsarzt eine Entscheidung getroffen: Das ganze Bundesasyllager Basel ist unter Quarantäne beziehungsweise Isolation gesetzt. Sprich: Das halb-offene ist in ein geschlossenes Lager verwandelt worden. Die 70 positiv auf Corona getesteten Menschen “verbringen die Isolation gemeinsam”. Die übrigen 80 befänden sich “analog zu privat” in Quarantäne, teilt Kantonsarzt Steffen mit.
Er vergisst offenbar, dass es zwischen “sich zurückziehen” und “eingesperrt werden” einen grossen Unterschied gibt. Die 70 positiv auf Corona getesteten Menschen werden alle in den ersten Stock gesperrt, zu acht in engen Zimmern. Die restlichen Bewohner*innen leben zu den üblichen miesen Hygienebedingungen auf engem Raum. Zusätzlich dürfen sie das Lager nicht verlassen.
Dass es im Bundesasyllager Basel zu so vielen Ansteckungen kommen konnte ist nicht weiter verwunderlich und ist auf die Handhabung des SEM zurückzuführen (mehrfach berichtet). Kantonsarzt Steffen redet das behördliche Verfehlen schön. Und das SEM versucht, vom eigentlichen Problem abzulenken und die Verantwortungen auf die Betroffenen zu schieben.
Es ist pures Glück, dass es bisher nur vereinzelt zu Corona-Ausbrüchen in den schweizer Lagern gekommen ist. Angesichts von 8er-Zimmern, Essenschlangen etc. ist es absurd von “Mindestabständen” und “Maskenpflicht” zu reden.
Die Quarantäne der rund 80 nicht positiv getesteten Personen unter diesen Bedingungen zeigt die Priorität der Behörden klar auf: Es scheint irrelevant, dass sich die eingesperrten Menschen gegenseitig anstecken. Den Menschen wird es verunmöglicht, sich und ihre Mitmenschen angemessen zu schützen. Es geht einzig darum, der nicht in Lager gesperrten Bevölkerung ein Gefühl von Sicherheit vorzugaukeln.
Nicht nur in Basel, sondern auch im Lager Flumenthal im Kanton Solothurn sind im Moment alle Bewohnenden in Quarantäne.
Stellungnahme Quarantäne Camp 50 vom 5.8.2021
9.8.2021:
– Quarantäne im Bundesasyllager Bässlergut um weitere 10 Tage verlängert
– Einsperrung auf engem Raum & Transfers führen zu weiteren Ansteckungen
– Protest der Bewohnenden: Stimmung im Lager ist angespannt
– Mehrere Menschen untergetaucht: Angestellte lassen Bewohnende bewusst laufen
Stellungnahme Verlängerung Quarantäne Camp 50 vom 9.8.2021
18.06.2021: Zur Zeit wohnen ca. 120 Personen im Camp 50. Es gibt 4 bestätigte Coronafälle, darunter ein 70-jähriger Mann*.
Frühling 2021: Zweiter Lockdown bringt keine Veränderungen im Camp 50
Im zweiten Lockdown haben wir von keinen Anpassungen des Lagerbetriebs im Camp 50 gehört. Das heisst: Menschen bekommen weiterhin Transfers in kantonale Einrichtungen und andere Bundesasyllager; die Beschwerdefristen auf Asylentscheide wurden nicht verlängert, obwohl die unabhängigen Rechtsberatungsstellen ausserhalb des Lagers weniger zugägnlich waren; weiterhin sind Asylanhörungen ohne Rechtsbeistand (Corona-Ausnahmeordnung) zulässig; es wurden keine zusätzlichen mehr Schlafzimmer, Aufenthaltsräume oder Essräume durch die ORS geöffnet, um mehr Raum zu schaffen; weiterhin wohnen bis zu 8 Personen pro Raum, teilweise mehrere Familien pro Zimmer; es wurde nicht mehr Gesundheitspersonal angestellt. Einzige Neuerung, von der die Betroffenen berichten, ist die Einrichtung einer Isolationsstation in der sogenannten “Villa”, wo bis Ende Dezember die unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden wohnten. Diese wurden nach Reinach in ein Lager in einem Gewerbeareal geschickt, im Sommer 2021 sollen sie zurück ins Camp 50 kommen.
Oktober/November 2020: Grosser Corona-Ausbruch im Bundesasyllager Basel
Nachdem Anfang November im Bundesasyllager Basel circa 20 Menschen an Corona erkrankt waren, gab es etwas Aufregung – aber nicht lange. Von einem langanhaltenden Corona-Schutzkonzept kann in keinster Art und Weise die Rede sein. Drei konkrete Infos aus dem Camp 50 dazu: Erstens, Camp 50 ist voll, über 200 Menschen müssen zurzeit dort leben. Zweitens, es schlafen 8 Personen pro Zimmer. Drittens, die Transfers zwischen verschiedenen Bundeslagern und kantonalen Lagern wurden nie gänzlich eingestellt und sind wieder in vollem Gange. Damit wird sowieso jede Schutzmassnahme zur Farce. Der SEM-Sprecher findet derweil in einem Interview im Regionaljournal Basel, das Duschen “nicht überlebendwichtig” sei. Den an Corona erkrankten Jugendlichen aus Camp 50 wurde zuvor während zweier Wochen der Zugang zu den Duschen verwehrt. Die Art und Weise, wie Institutionen mit Menschen und Richtlinien umgehen, zeigt welcher Wert unterschiedlichen Gruppen von Menschen und ihrer Gesundheit zugeschrieben wird: In den schweizer Bundesasyllagern und Ausschaffungslagern werden die zwangsuntergebrachten Menschen wie Menschen zweiter Klasse behandelt – die Corona-Situation zeigt dies einmal mehr deutlich auf. Ende der Zwangsunterbringung, für ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges Leben!
“Ich würde lieber im Wald leben als im Asylheim“. Ein Artikel von Adelina Gashi zur Situation im Camp 50 Basel und im Camp Allschwil im Oktober 2020 als Corona im Lager ausbrach. Mit Gesprächen mit zwei Betroffenen.
18.03.2020: Solidarität in Zeiten von Corona mit Menschen in Asyllagern
Die aktuelle zwischenmenschliche Solidarität (März 2020) ist wichtig, aber mehr denn je muss sie auch die Menschen in den Bundesasyllagern in der Schweiz und die Menschen im Lager Moria auf Lesbos erreichen. Auf der Insel Lesbos werden Geflüchtete und NGO-Mitarbeitende von nationalistischen und faschistoiden Gruppierungen gejagt und angegriffen. Am Montag, 16.3.2020, ist in Moria ein sechsjähriges Kind bei einem Feuer gestorben. An der Grenze zur Türkei bekämpfen die Polizei und die EU-Grenzschutzeinheit Frontex weiterhin geflüchtete Menschen mit allen Mitteln der Gewalt. Diese Grausamkeiten tragen die EU und die Schweiz in vollem Bewusstsein mit – dafür müssen sie verantwortlich gemacht werden. Geflüchtete Menschen sind kein Pfand, das als Druckmittel zwischen Staaten instrumentalisiert werden darf.
Corona zeigt exemplarisch auf, wie das Asylsystem vom Staatssekretariat für Migration (SEM) betrieben wird: Während alle Institutionen des gesellschaftlichen Lebens geschlossen werden und die Bevölkerung angehalten ist, sich nicht in Gruppen über fünf Personen aufzuhalten, bleibt in den Asyllagern alles beim Alten. Dort scheinen andere Regeln zu gelten, als für die Menschen ausserhalb des Lagers. Unsere direkten Kontate zu den Menschen im Bundesasyllager Basel bestätigen (Stand 18.3.2020):
- Aktuell sind im Camp 50 circa 200 Personen auf engem Raum untergebracht. Sie müssen sich dort täglich 13 Stunden aufhalten.
- Aktuell leben noch immer bis zu 12 Personen pro Schlafsaal.
- Die sanitären Einrichtungen sind absolut unzureichend und bieten weder Privatsphäre noch den notwendigen hygienischen Standard.
In unserer Medienmitteilung vom 19. März 2020 fordern wir zusammen mit den Direktbetroffenen mehr Raum für die Unterbringung. Und zwar menschenwürdigen Raum. Hotels und Leerstand öffnen!